»Gott hat uns das Papsttum gegeben, lasst es uns genießen!«*
Das Papsttum zwischen dem 11. und dem 17. Jh. zeichnete sich durch ein Phänomen aus, das als Nepotismus in die Geschichte einging: Weltlich gesinnte – und meist sogar ausgesprochen hedonistische – Männer aus der eigenen Familie wurden von den Päpsten mit Kardinalswürden ausgestattet. Die Neffen, die zu Kirchenfürsten wurden, waren jung und vital, vor allem aber ehrgeizig und hatten als Kardinalnepot einen Vertrauensposten inne. Da der Nepot grundsätzlich aus derselben Familie stammte wie der Papst, war davon auszugehen, dass er heikle Missionen im Sinne seines Onkels ausführte und so die Familienmacht im Allgemeinen und den Papst im Besonderen stärkte. Dass so aber manchmal auch höchst unchristliche Häupter den roten Kardinalshut trugen, war ein Kollateralschaden, den man achselzuckend in Kauf nahm.
Paradebeispiel für ein besonders gewissenloses Mitglied des Kardinalskollegiums war Carlo Carafa, Neffe Papst Pauls IV. Carafa war vor seinen geistlichen Würden Soldat gewesen, ein typischer Condottiere, der in den Diensten der Colonna, der Farnese und der florentinischen Strozzi gegen jeden kämpfte, der damals eben bekämpft wurde – Spanier, Franzosen, Deutsche. Carafa war ehrgeizig, skrupellos und kriminell und wurde aus seiner Geburtsstadt Neapel wegen Raubes und Mordes vertrieben. Das war zehn Jahre bevor er 1555 von seinem Onkel zum Kardinal erhoben wurde, und zwar, nachdem ihm dieser die Absolution für seine Missetaten erteilt hatte. Als Kardinal wurde Carlo Carafa Diplomat, der im Auftrag des Heiligen Stuhls durch halb Europa reiste, um Bündnisse zu schmieden, oder – wenn das schiefging – Friedensbedingungen auszuhandeln. Daneben ließ er es sich an nichts fehlen. Carafa genoss den Luxus, den ihm sein Amt gewährte, ging auf die Jagd, gab sich dem Glücksspiel und sonst auch noch allerlei Ausschweifungen hin. Letzten Endes bezahlte er den Preis, denn als nach dem Tod seines Onkels der Medici Pius IV. Papst wurde, enthob ihn dieser aller Ämter und ließ ihn wegen Häresie, Mord, Homosexualität und anderer Delikte vor Gericht stellen. Dort wurde er zum Tod verurteilt und schließlich von seinem Henker erdrosselt. Interessanterweise hob Papst Pius V. das Urteil wieder auf, sodass Carafa neben seinem Onkel in der Carafa-Kapelle von ☞ S. Maria sopra Minerva in allen Ehren bestattet werden konnte.
Ein Meister des Nepotismus, ein wahrer Lehrmeister für alle Päpste nach ihm war jedoch Sixtus IV., der erste Papst aus der ligurischen Familie della Rovere (der zweite war Michelangelo Buonarrotis Nemesis Julius II.), der nicht weniger als sechs seiner Neffen zu Kardinälen ernannte. Darüber hinaus reorganisierte Sixtus IV. die Verwaltung des Kirchenstaats, indem er Notare und Sekretäre in Bausch und Bogen einstellte, und zwar gegen Bezahlung einer Art Eintrittsgeld. Das bedeutete nicht, dass jeder, der über genügend Geld verfügte, einen Posten erhielt. Auf fachliche Kompetenz wurde durchaus geachtet, aber eben nur in Verbindung mit liquidem Vermögen. Im Grunde genommen entwickelte Sixtus IV. damit ein ausgeklügeltes Finanzierungssystem, denn die Amtsinhaber bekamen für ihre Investition nicht Zinsen, sondern ein Gehalt ausbezahlt. Ganz ähnlich verfuhr man mit Ablässen für einen sündhaften Lebenswandel und mit gewährten Gnaden. Mit welchen Folgen dagegen sehr bald schon ein Theologe im fernen Wittenberg wortgewaltig demonstrierte, ist bekannt. Darüber hinaus wurde Sixtus IV. zum Bauherrn, wobei die Ergebnisse zur höheren Ehre der Kirche im Allgemeinen und des Amtes im Besonderen dienten. Unter Sixtus’ IV. Ägide entstanden der ☞ Ponte Sisto, große Erweiterungen des Hospitals ☞ Santo Spirito in Sassia (heute das ☞ Museo Storico dell’Arte Sanitaria) sowie vor allem die ☞ Sixtinische Kapelle, die er von den ersten Malern seiner Epoche ausstatten ließ, die jedoch erst sein Neffe Julius II. zum Weltwunder machte, als er Michelangelo Buonarroti zum Malen auf die Gerüste zwang.
*Das Zitat im Titel übrigens wird Papst Leo X. zugeschrieben. Er war – nach seinen Vorgängern Alexander VI. (Borgia) und Julius II. (della Rovere) – ein weiterer Renaissance-Papst, dem irdische Macht und leiblicher Genuss weitaus wichtiger waren denn kontemplative Spiritualität und pastorale Fürsorglichkeit. Als Spross der florentinischen Familie Medici gehörte er zu einem der mächtigsten Clans im Italien dieser Epoche und galt Luther als personifizierter Antichrist.
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